Litauen – von Vilnius an die Bernsteinküste
Diese Reise durch Litauen führt von der barocken Hauptstadt Vilnius vorbei an der von Wäldern und Seen umgebenen gotischen Burg Trakai zur Ostsee auf die Kurische Nehrung, dem Höhepunkt unserer Fahrt.
Version 2024. Diesen Beitrag gibt es hier auch zum Hören (MP3):
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Wir besuchen gute Freunde in Vilnius (Wilna) und verbringen mit ihnen einige Tage in Litauen, bevor wir in die anderen Baltischen Staaten nach Estland und Lettland weiterreisen.
Vilnius – die Barockstadt.
Unsere erste Besichtigungstour beginnt an der katholischen St. Peter und Pauls-Kirche, eine Barockkirche mit ockergelber Fassade, weißen Säulen und Simsen
und besonders meisterhaften Stuckarbeiten der italienischen Bildhauer Perti und Galli. Ein frisch getrautes Paar verlässt gerade mit der Hochzeitsgesellschaft dieses schöne Gotteshaus.
Von der Kirche aus steigen wir auf den Burgberg. Von der Oberen Burg gibt es hier lediglich Ruinen, nur der achteckige Gediminas-Turm wurde rekonstruiert. Er ist nach jenem Großfürsten benannt, der seine Residenz Anfang des 14. Jahrhunderts von Trakai nach Vilnius verlegt hatte.
Von hier oben haben wir eine schöne Aussicht auf den Fluss Neris, die Neubaugebiete im Norden und die Altstadt mit ihren vielen Kirchtürmen im Süden.
Am Fuß des Burgbergs befinden sich zwei langgezogene Gebäude, das Alte und das Neue Arsenal. Im Alten Arsenal wurden ab Mitte des 16. Jahrhundert Waffen gelagert, das Neue Arsenal diente im 19. Jahrhundert als Kaserne, die Kellergewölbe sind gotisch und ein Teil der Mauern stammt noch aus der Renaissance. Am Denkmal des König Mindaugas, dem ersten König Litauens ab dem Jahr 1253, marschiert eine Trachten-Abordnung auf.
Die Untere Burg wurde im 17. Jahrhundert im Russischen Krieg zerstört. Heute befindet sich dort der ausladende Kathedralenplatz.
Die erste Kathedrale wurde an der Stelle eines heidnischen Opferaltars mit einem “Ewigen Feuer” errichtet. Nach mehreren Bränden und darauf folgenden Umbauten, stürzte 1769 bei einem Sturm der Südturm ein, beschädigte das Gotteshaus schwer und begrub sieben Kleriker unter sich. Der Wiederaufbau geschah im reinsten klassizistischen Stil. Sechs 20 Meter hohe dorische Säulen schmücken die Fassade. Der untere Sockel des frei stehenden Glockenturms besteht aus Teilen der alten Burg.
Wir gehen in westlicher Richtung weiter zur spätbarocken Kirche St. Anna mit einer im Flamboyantstil gestalteten Fassade und in 33 Varianten geformten Backsteinen. Es heißt, dass Napoleon diese Kirche gerne nach Paris mitgenommen hätte, wobei er auf dem verlustreichen Rückzug bei seinem Russlandfeldzug im Jahr 1812 sicher andere Sorgen gehabt haben dürfte.
Gleich neben St. Anna steht das gotische Berhardinerkloster mit -kirche. Gegenüber zeigt sich die Kirche zum Heiligen Michael aus dem Jahr 1594 im Baustil des Klassizismus am Übergang zum Barock. Zum Ensemble gehört das Bernhardinerinnenkloster.
Weiter geht es zur hübschen, orthodoxen Kirche der Heiligen Paraskeve im neobyzantinischen Stil. Gleich darauf betreten wir den Rathausplatz mit dem klassizistischen Rathaus, vom gleichen Baumeister wie die Kathedrale entworfen.
An der Ostseite des Rathausplatzes ragt die Kirche St. Kasimir auf mit ihrer rosa-weißen Stuckfassade, von den Jesuiten ab 1604 nach dem Vorbild derer Hauptkirche “Il Gesù” in Rom in Barock errichtet. Angeschlossen ist das Jesuitenkloster.
Auf der Straße, die zum südlichen Ende der Altstadt führt, kommen wir nun zur Philharmonie, einem prächtigen Gebäude im Stil des Historismus im Jahr 1902 erbaut.
Rechts taucht nun ein schönes barockes Tor auf, das in den Hof des Basilianer-Klosters mit der Dreifaltigkeitskirche führt. Sie gehört heute zur mit Rom unierten Ostkirche.
Das “Kloster zum Heiligen Geist” auf der linken Seite besteht aus einem Nonnen- und einem Mönchskloster. Die Russisch-Orthodoxe Kirche strahlt im klaren Stil des Frühbarocks. Rund um das Kloster standen einst Herbergen für russische Kaufleute.
Das “Tor der Morgenröte” ist das südliche Stadttor und einziger erhaltener Teil der alten Stadtmauer. Zum Bild der “Wundertätigen Madonna” mit ihrem goldenen Gewand in der Torkapelle im ersten Stock führt eine Steintreppe hinauf auf die Pilgergalerie.
Das Gnadenbild soll die Stadt vor einer Feuersbrunst schützen. Papst Johannes Paul II. betete hier bei seinem Litauen-Besuch im Jahr 1993. Auch heute scharen sich viele litauische und polnische Pilger vor dem Bild.
Südlich der Kathedrale geht es zur großen Universität mit 13 Innenhöfen, der Bibliothek, einer Sternwarte von 1766 und etlichen Hörsälen. Im Jahr 1569 wurde das Jesuitenkolleg gegründet und zehn Jahre später in eine theologische und philosophische Universität umgewandelt. Ab 1641 kam eine juristische Fakultät hinzu.
Besonders gut gefallen haben mir die beeindruckenden, surrealistischen Fresken, die von Petras Repšys zum 400-jährigen Jubiläum der Universität Vilnius geschaffen wurden. Die Darstellungen reichen von den Vier Jahreszeiten bis zum Totentanz.
Am Großen Hof ist der Haupteingang zum Rektorat, es gibt den Zugang zur Aula und auf der Ostseite sehen wir die barocke Fassade der Kirche St. Johannis.
Im Inneren sind gotische Elemente noch gut zu erkennen, begann doch der Kirchenbau im Jahr 1387, gleich nach der späten Christianisierung Litauens.
Im alten Pfarrhaus befindet sich heute die Buchhandlung “Littera”, vom Künstler Antanas Kmieliauskas 1978 ausgestaltet.
Hinter der Universität steht der Präsidentenpalast, im Spätklassizismus an Stelle des ehemaligen Bischofspalasts erbaut.
Santa Katharina ist das typischste Beispiel des Wilnaer Barocks. Baumeister war, wie bei so vielen Barockgebäuden in der Stadt, Johann Christoph Glaubitz. Die Altstadt von Wilna gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Der Friedhof Antakalnis – Nationale Gedenkstätte in Litauen.
Gleich gegenüber unseres Quartiers, gibt es am bewaldeten Hang eine Gedenkstätte der Kämpfer für die Unabhängigkeit Litauens. Die Opfer vom 13. 1. 1991 und vom 31. 7. 1991 sind hier beigesetzt. In der Nähe steht das Sowjetisches Kriegerdenkmal zur Ehrung der Gefallenen im Zweiten Weltkrieg und eine Gedenkstätte für die Toten der Armee Napoléons von 1812.
Die Republik Užupis – ein alternatives Ausgehviertel.
Das ehemalige Handwerkerviertel Užupis mit zwei Papiermühlen an einer Schleife des kleinen Flüsschens Vilnia gelegen war zu Beginn der Unabhängigkeit ziemlich heruntergekommen. Bald aber zogen Studenten und Künstler aus den Plattenbauten der Vorstädte hierher und renovierten die Häuser mit eigenen Mitteln.
1997 gründeten die Einwohner die “Republik Užupis”. Man hat eine Verfassung von 41 Artikeln, vier Flaggen, eine zu jeder Jahreszeit und einen eigenen Präsidenten. Nette Kneipen, idyllische Hinterhöfe und Galerien prägen das Viertel.
Es gibt alternative Kunst- und Modefestivals, Happenings, Aktionen und jahreszeitliche Feste. Auf dem zentralen Platz steht der “Engel mit der goldenen Posaune”, der die Renaissance von Užupis und von ganz Osteuropa verkündet.
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Trakai – Wald- und Seenlandschaft mit einer alten Wasserburg.
Von Vilnius nach Trakai sind es nur 30 Kilometer. Die gotische Wasserburg (Titelfoto) aus dem 14. Jahrhundert liegt inmitten einer Wald- und Seenlandschaft in Süd-Litauen mit zehn Seen. Die Burganlage aus rotem Backstein ist heute über einen Holzsteg zugänglich.
Durch den Torturm gelangen wir in die Vorburg mit den ehemaligen Lebensmittel- und Waffenlagern. Ein Graben trennt den Bereich von der Hauptburg. Über den Graben führt eine weitere Brücke in den Innenhof, der mit hölzernen Galerien umsäumt ist. Hier finden im Sommer Konzerte und Theateraufführungen statt.
Wir unternehmen eine Bootstour über den Galvésee und genießen dabei die Ruhe und den schönen Blick auf die Wasserburg.
In der Stadt Trakai gibt es ein Viertel mit alten, gelben Holzhäusern. Hier leben Karäer, eine jüdische Glaubensgemeinschaft die nur das Alte Testament und nicht den Talmud anerkennt. Knapp 400 Karäer wurden im 14. Jahrhundert von Großfürst Vitautas von der Krim nach Litauen verschleppt und mussten hier für den Hof arbeiten.
Memel – das Tor Litauens zur Ostsee.
Wir fahren weiter in das 290 Kilometer nordwestlich gelegene Memel. Das heutige Klaipėda hat Fährverbindungen nach Karlshamn und Trelleborg in Schweden und nach Kiel.
Die Altstadt ist sehr pittoresk. Nach großen Zerstörungen im 2. Weltkrieg wurde Memel sorgsam renoviert.
Mittelpunkt ist der Theaterplatz mit dem Simon-Dach-Brunnen auf der die Bronzefigur des Ännchen von Tharau steht.
Der Musikprofessor und Dichter Simon Dach verfasste sein bekanntes Gedicht im Jahr 1637, als die von ihm geliebte Pfarrerstochter Anna Neander einen anderen heiratete. Im Theater am Platz hat schon Richard Wagner dirigiert.
Die Marktstraße und die Lindenstraße laden zum Promenieren ein und bald gelangen wir in die kleine Markthalle. Kuchen, Brot, Käse, Eier, Wurstwaren und Speck, Honig
und etliche Sorten eingelegter Gurken bilden neben Obst- und Gemüse das Hauptsortiment. Auch Blumenstände dürfen in Litauen nicht fehlen.
Die Kurische Nehrung – eine einzigartige Dünenlandschaft.
Die Autofähre bringt uns in 20 Minuten auf die Kurische Nehrung bei Sandkrug. Etliche kleine Inseln vor der Küste wurden durch Sandanspülungen zu einer 100 Kilometer langen, aber nur zwischen 400 und 4.000 Meter breiten Halbinsel mit Sanddünen, Kiefern-, Fichten- und Birkenwäldern geformt.
Auf der Westseite gibt es auf der gesamten Länge herrliche Sandstrände an der Ostsee, auf der Ostseite der Kurischen Nehrung liegen Fischerdörfer wie Schwarzort, Pillkoppen, Rossitten, Sarkau und Nidden am Kurischen Haff, dem Brackwasser zwischen der Nehrung und dem Festland.
Die einzige Ausfahrt aus dem Haff in die Ostsee liegt ganz im Norden zwischen Sandkrug und Memel.
Die südliche Hälfte der Kurischen Nehrung ist bei Cranz mit dem Festland verbunden und gehört seit dem 2. Weltkrieg zur Russischen Förderation. Zuvor war die gesamte Nehrung Ostpreußisch. Kurz vor der Russischen Grenze, noch in Litauen, liegt Nidden, wo unsere Freunde eine Ferienwohnung für uns vier gemietet haben.
Das Haus liegt im Wald auf dem Scheitel der Nehrung, so dass wir bequem zur Ostsee hinunterlaufen können oder in gleicher Zeit ins Ortszentrum von Nidden direkt am Haff.
Besonders schön sind die Holzhäuser in rostbraun, blaugrau oder leuchtend blau mit bunten Fensterläden, reetgedeckten Dächern und ihren herrlichen Blumen- und Obstgärten.
In den Gärten sehen wir die alten, kunstvollen Kurenkahnwimpel aufgestellt, die die bis zu 450 Fischkutter auf dem Haff in der Mitte des 19. Jahrhunderts für die Fischereibehörden in Königsberg identifizierbar machen sollten, außerdem zeigten sie den Seeleuten die Windrichtung an.
An Verkaufsständen werden verschiedene Beeren und Kirschen angeboten, es gibt Werkstätten der Bernstein-Schleifer und ein Bernstein-Museum.
Im Hafen von Nidden laufen Kutter zu Ausflugsfahrten aufs Haff und zur Memel-Mündung aus.
Neben langen Spaziergängen am Ostseestrand ist auch der Aufstieg zur größten Wanderdüne Europas, der Parniddendüne, sehr reizvoll. Der für uns anstrengende Aufstieg wird mit einem herrlichen Ausblick belohnt.
Wir mieten Fahrräder und unternehmen eine wunderschöne Radtour durch die lichten Wälder und entlang des Haffs über Preil nach Perwelk. Hier kehren wir ein und bekommen frisch geräucherten Fisch und ein Gira serviert, das osteuropäische Kvass, ein leicht alkoholisches Erfrischungsgetränk aus Brot und Sauerteig.
Auf dem Rückweg begegnen wir am Haff Josefine, der Weißstörchin, die jeden Sommer hier in Nidden verbringt.
Natürlich schauen wir uns auch das mit Reet gedeckte Sommerhaus von Thomas Mann mitten im Kiefernwald an, das er sich von seinem Preisgeld für den Literaturnobelpreis im Jahr 1929 gekauft hat. Drei Sommer verbrachte der Schriftsteller mit seiner Familie auf der Kurischen Nehrung bevor er ins Exil nach Amerika flüchten musste.
Wir besichtigen sein Arbeitszimmer und bewundern den Ausblick auf das Haff. Auch die Expressionisten Lovis Corinth, Erich Heckel und Max Pechstein verbrachten eine produktive Schaffenszeit in Nidden.
Nach drei wunderschönen Tagen in dieser einzigartigen Landschaft, die zu Recht unter dem Schutz des UNESCO Weltkulturerbes steht, heißt es Abschied nehmen.
Auf der gut ausgebauten Autobahn erreichen wir von Memel aus in gut drei Stunden Vilnius, die Hauptstadt von Litauen. Am nächsten Tag geht es mit dem Flugzeug weiter nach Tallinn in Estland.
Service Litauen:
Linienflug nonstop mit Lufthansa München – Vilnius – München ab 188 €.
Courtyard by Marriott Vilnius City Center**** DZ bei DERTOUR ab 89 € inkl. Frühstück.Park Inn by Radisson*** in Memel – DZ bei DERTOUR ab 83 € inkl. Frühstück.
Hotel Prie Mariu*** in Nidden – DZ ab 96 € inkl. Frühstück.Autorundreise “Klassische Höhepunkte mit Kurischer Nehrung” ab/bis Vilnius – 10 Tage inkl. Talinn und Riga im DZ bei DERTOUR – ab 1.342 € inkl. Frühstück (für 2 Personen).Kreuzfahrt mit TUI Ruises “Mein Schiff 1” ab/bis Kiel mit Tallinn, Riga, Memel etc. bei DERTOUR 12 Nächte ab 2.399 € p.P.Eintritt Burg Trakai 12 €.
Fähre Memel – Sandkrug pro Person und Strecke 1,50 €, PKW 20,50 €.
Fahrradverleih in Nidden bei VeloNida (12 Stunden) 15 €, E-Bike 30 €.
Eintritt Thomas-Mann-Haus in Nidden 2,50 €.
Mietwagen Hyundai i20 bei DERTOUR für 7 Tage inkl. Vollkaskoversicherung ohne SB – ab 233 €. Werbung:
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Diese Reise fand im Juli 2008 statt. Ich reiste mit meiner Frau. Vielen Dank unserer Freundin Vyga für ihre großartige Gastfreundschaft.
Dieser Beitrag wurde im Mai 2024 überarbeitet, Tarifstand: Sommer 2024. Diesen Beitrag auf YouTube ansehen: https://youtu.be/aLDDayz8N-I
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