Von Mittenwald ins Loisachtal
Diese leichte Radtour führt von Mittenwald zu zwei kleinen Gebirgsseen umrahmt vom Karwendel, dem Wetterstein- und dem Estergebirge. Über Garmisch-Partenkirchen geht es dann hinunter ins Loisachtal.
Version 2024. Diesen Beitrag gibt es hier auch zum Hören (MP3):
Anreise:
In Ohlstadt parke ich meinen Wagen am Bahnhof und steige mit meinem Rad in die Regionalbahn nach Mittenwald. Eine Station vor Ohlstadt, in Murnau, sind zahlreiche Reisende schon ausgestiegen um das Blaue Land zu erkunden, daher finde ich mit dem Rad mühelos einen Platz im Zug.
50 Minuten nach der Abfahrt in Ohlstadt fahren wir in Mittenwald ein, dem mit 914 Metern am höchsten gelegene ICE-Bahnhof im deutschen Streckennetz.
Mittenwald – Geigenbau und Lüftlmalerei.
Schon zur Römerzeit verlief durch das heutige Gemeindegebiet die “Via Raetia” in den Süden. Im Jahr 1487 verlegten die venezianischen Kaufleute ihren Hauptumschlagplatz für Waren aus dem Mittelmeerraum und dem Orient für eine Zeitraum von fast 200 Jahren von Bozen nach Mittenwald.
Viele Güter wurden dann per Floß auf der Isar weitertransportiert. 1684 brachte Matthias Klotz nach einem Aufenthalt in Venetien den Geigenbau nach Mittenwald. Er hatte das Handwerk in Padua gelernt und brachte es nun in seiner Heimat zur Blüte.
Johann Wolfgang von Goethe übernachtete auf seiner Italienreise 1786 hier und nannte Mittenwald “ein lebendiges Bilderbuch”. Auch heute noch sind viele Häuser am historischen Obermarkt und im Ortsteil Gries mit Lüftlmalereien verziert, die Alltagsszenen aus Zeiten des Bozner Marktes, den Geigenbau, die Flößerei und auch biblische Szenen zeigen. Selbst der Kirchturm der barocken Pfarrkirche St. Peter und Paul ist bemalt. Die 1749 fertiggestellte Kirche ist ein Werk des Wessobrunner Baumeisters Joseph Schmutzer, die farbenfrohen Fresken gestaltete der Augsburger Künstler Matthäus Günther. Neben der Kirche befindet sich das Geigenbaumuseum.
Karwendel und Hoher Kranzberg.
Hinter der Kirche ragt die Westliche Karwendelspitze mit 2.385 Metern Höhe auf. Bis kurz unterhalb des Gipfels führt von Mittenwald aus Deutschlands zweithöchste Bergbahn auf 2.244 Meter hinauf. Ein kurzer Weg durch einen Tunnel und man befindet sich am Startpunkt zu Deutschland längster Skiabfahrt durch das Dammkar mit dem Kanonenrohr hinunter ins Isartal. Als junger Mann habe ich einmal die Strecke mit gut 1.200 Höhenmetern und 7,5 Kilometer Länge bei bestem Pulverschnee bewältigt, ein wahrer Skigenuss!
Nördlich der Talstation befindet sich die Gebirgs- und Winterkampfschule der Bundeswehr, die Kaserne der Gebirgsjäger.
Auf der anderen Talseite westlich von Mittenwald geht es gemütlicher zu. Hier führt ein Sessellift auf 1.200 Metern Höhe ins Wandergebiet um den Hohen Kranzberg mit vier kleineren Bergseen. Der Gipfel ist ein wahrer Aussichtsbalkon über dem Tal in 1.391 Metern Höhe.
Zum Schmalensee und auf die Buckelwiesen.
Ich verlasse Mittenwald mit dem Rad in nördlicher Richtung durch den Ortsteil Gries und fahre auf der verkehrsarmen Landstraße Mittenwald-Klais eine Anhöhe hinauf und in einen Bergwald hinein. Nach 1.500 Metern zweigt rechts der Fahrweg “Am Schmalensee” ab.
Entlang des Ostufers des klaren und fischreichen Bergsees führt der Weg direkt in die Buckelwiesen. Die grasbedeckten Hügel entstanden in der letzten Eiszeit und sind ein geschütztes Biotop mit 200 Pflanzenarten, darunter vielen Heilkräuter.
Die Buckelwiesen werden mit der Sense gemäht und mit Schaf- und Ziegenherden beweidet. Bis zur Goasalm geht es wieder leicht bergauf am Seppl- und Tonihof vorbei.
Ich genieße noch einmal den Ausblick auf die schroffen Kalkfelsen des Karwendel bevor ich links hinunter in eine Senke fahre, die Bahnlinie und die Staatsstraße 2542 (Mittenwald-Klais) überquere und auf einem Feldweg auf eine eingezäunte Weide mit den größten Vögeln der Erde stoße.
Straußenfleisch ist bekannt als kalorien- und cholesterinarm und wird zunehmend auch in unseren Breiten geschätzt.
Die Römerstraße bei Klais.
Kurz hinter der Straußenweide stoße ich auf Spuren der Römerstraße “Via Raetia” die mit ihren ausgefahrenen Spuren parallel zum Elmauer Weg bergab nach Klais führt. Der Ort wurde erstmals im Jahr 763 in einer Gründungsurkunde erwähnt.
Bergauf führt der Elmauer Weg unterhalb der beeindruckenden Wettersteinwand am Hotel Kranzbach vorbei zum Schloss Elmau, wo am 7. und 8. Juni 2015 und vom 26. bis 28. Juni 2022 jeweils ein G7-Gipfel stattfand und Bilder aus diesem Hochtal im Werdenfelser Land in alle Welt gingen.
Ich fahre jedoch hinunter nach Klais und biege im Ort links in die Bahnhofstraße ein. Südlich der Gleise komme ich an einer grünen Wiese am Waldrand vorbei, auf der jährlich das schöne Sommerfest des Ortes stattfindet. Nach zwei Kilometern unterquere ich erst die Bahnlinie und dann die Bundesstraße 2 und erreiche den Weiler Gerold.
Ein schöner Badesee mit Bergpanorama.
Der zweite Weg rechts im Ort führt zu einer kleinen Badewiese am Nordufer des Geroldsees. Für die Nutzung der Liegewiese verlangt der Besitzer, ein Bauer im Ort, einen kleinen Obolus. Das Wasser des Moorsees ist warm und weich und das Panorama einmalig.
Auf der Weiterfahrt geht es auf einem separaten Radweg ein Stück entlang der “Deutschen Alpenstraße” B2 durch die Ansiedlung Kaltenbrunn vorbei am Wirtshaus “Schweizer Bartl” mit seinen schönen Lüftlmalereien.
Partenkirchens geschichtsträchtige Ludwigstraße.
Hinter Kaltenbrunn verlässt der Radweg die Nähe der verkehrsreichen Bundesstraße 2 und führt auf der historischen Gsteigstraße bei mäßigem Gefälle hinunter nach Partenkirchen und mündet dort direkt in die Ludwigstraße, sie entspricht dem Verlauf der historischen Via Raetia durch “Parthanum”, dem römischen Namen von Partenkirchen.
Im Hochmittelalter war die Marktstraße von Partenkirchen für die Kaufmannsfamilien der Fugger und Welser eine wichtige Reise- und Handelsstation.
Aus dieser Zeit sind nach den Stadtbränden in den Jahren 1811 uns 1865 nur noch zwei Häuser erhalten, das Alte Haus (Ludwigstraße 8) und der innere Kern des Wackerlehauses mit dem Werdenfelsmuseum (Ludwigstraße 47).
Nach dem zweiten Stadtbrand wurde die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt von Matthias Berger in den Jahren 1868 bis 1871 neu erbaut. Das dreischiffige Gotteshaus mit dem Spitzhelmturm beherrscht die Ludwigstraße.
Die zwei- und dreistöckigen Giebelhäuser aus dieser Zeit wurden Anfang des 20. Jahrhunderts nach der Mode des Heimatstils mit Wandmalereien, Stuck, Ausleger und Erkern verziert. Der östliche, obere Teil der Ludwigstraße steht als Ensemble unter Denkmalschutz.
Der Gasthof Fraundorfer (Ludwigstr. 24) fällt durch die reiche Fassadenbemalung von Heinrich Bickel aus dem Jahr 1928 auf.
Das Haus Ludwigstr. 27 verfügt über einen zweigeschossigen Holzerker in historisierender Form mit einem Haubendach und eine hölzerne Eingangstür mit Oberlicht aus dem Jahr 1900.
Der Gasthof zum Rassen (Ludwigstr. 45) gehörte im 16. Jahrhundert den Benediktinern vom Heiligen Berg Andechs, die den Heiligen Rasso sehr verehrten, auf den der Name des Hauses zurückgeht. Der jetzige dreigeschossige Giebelbau mit spätklassizistischer Fassadengliederung und Eisenbalkon wurde nach dem großen Brand 1865 erbaut. In der Hausnische im 1. Stock steht eine große barocke Madonna, die Bemalung der Fassade ist neueren Datums.
Nach der Fertigstellung der Eisenbahnverbindung nach München im Jahr 1889 setzte der Fremdenverkehr ein. Von 1926 bis 1930 entstanden dann Bergbahnen auf die umliegenden Gipfel. Am Nordende von Partenkirchen befindet such die Talstation der Gondelbahn zum Wank, einem 1.780 Meter hohen Aussichts- und Wanderberg im Estergebirge.
Von hier hat man einen besonders schönen Blick auf Garmisch-Partenkirchen vor der großartigen Kulisse des Wettersteins mit der Alpspitze (2.628 m) und dem höchsten Berg Deutschlands, der Zugspitze mit 2.962 Metern Höhe.
Das Olympiastadion und die Skisprungschanze.
Am 1. Januar 1935 wurden die beiden Marktgemeinden Garmisch und Partenkirchen im Vorfeld der 4. Olympischen Winterspiele zusammengeschlossen, was bei den Einwohnern auf wenig Gegenliebe stieß. 1936 fanden dann die Spiele mit 17 Wettkämpfen und 646 Sportlern aus 28 Ländern statt.
In Partenkirchen wurde die alte Schanze am Gudiberg ausgebaut und eine neue Sprungschanze errichtet. Im Auslauf entstand das Skistadion, in dem auch die Eröffnungs- und Schlusszeremonie stattfand und das als Start- und Ziel für den 18-Kilometer-Langlauf, den 50-Kilometer-Dauerlauf, und die 4 × 10-Kilometer-Staffel vorgesehen war.
Am Gudiberg oberhalb des Skistadions fanden im Rahmen der Alpinen Kombination die Slalomwettbewerbe statt. Die Abfahrtsrennen der Alpinen Kombination wurden auf der Kandahar-Abfahrt am Kreuzeck ausgetragen, die Bobwettrennen am Rießersee und die Eislauf- und Eishockeywettbewerbe im Eisstadion in Garmisch.
Das heutige Olympiastadion ist ein Umbau aus dem Jahr 1939 für die dann letztlich nicht stattfindenden Spiele im Jahr 1940.
Die große Olympiaschanze wurde mehrfach umgebaut, zuletzt 2007. Der Schanzenrekord von 144 Metern wurde heuer von Dawid Kubacki aus Polen beim Neujahrsspringen aufgestellt. Dieser traditionelle Skisprungwettbewerb feiert am 1. Januar 2022 sein 100. Jubiläum.
Am Olympiastadion startet die Eckbauerbahn zum gleichnamigen Berggasthof in 1.230 Metern Höhe. Hinter der Gaststätte Olympiahaus geht es zur wildromantischen Partnachklamm. Richtung Süden schließen sich die Hausberg-, Kreuzeck- und Alpspitzbahn an, die das Classic-Skigebiet von Garmisch erschließen. Meine Lieblingsabfahrt ist die Kandahar-Strecke, auf der auch schon zahlreiche Weltcupabfahrten und zwei Ski-Weltmeisterschaften ausgetragen wurden.
Garmisch – Michael Ende und Richard Strauß.
In Garmisch sind der Michael-Ende-Kurpark, benannt nach dem in Garmisch geborenen Jugendbuchautor, die barocke Pfarrkirche St. Martin von Joseph Schmuzer in den Jahren 1730–34 erbaut und östlich des Gotteshauses
die Straßenzüge Griesstraße und Sonnenstraße mit stattlichen Bauernhäusern aus dem 18. Jahrhundert besonders sehenswert.
Nördlich der Loisach ließ sich Richard Strauss in den Jahren 1907 bis 1908 vom Erlös seiner Oper Salome in der Zoeppritzstraße 42 eine Villa erbauen, die von Emanuel von Seidl im Jugendstil gestaltet wurde. Strauss bewohnte sie bis zu seinem Tod im Jahr 1949 und schrieb dort unter anderem den Rosenkavalier und die Alpensinfonie.
Das Haus steht in einem großen Park mit Skulpturen. Zum festen Sommerprogramm von Garmisch-Partenkirchen gehört das Richard-Strauss-Festival.
Sonnenbichl mit Alp- und Zugspitzblick.
Nördlich, am Hang des 1.983 Meter hohen Kramers, liegt der Ortsteil Sonnenbichl. Von hier hat man auch ohne Bergfahrt einen herrlichen Blick auf Alp- und Zugspitze. Ein besonderes Juwel ist das Grand Hotel Sonnenbichl, in dem ich Mal vor vielen Jahren eine Einladung zu einem festlichen Dinner hatte.
Als das Hotel im Frühsommer 2020 wegen Corona schließen musste, mietete Thailands König Maha Vajiralongkorn das komplette Haus für sich und seine Entourage.
Im Loisachtal von Burgrain nach Ohlstadt.
Egal ob von Partenkirchen oder vom Sonnenbichl kommend geht es ab Burgrain auf dem Radweg links entlang der Loisach bis Mühldörfl. Dort überquere ich den Fluss und fahre auf schönen, ruhigen Wegen auf der Ostseite des Tals Richtung Oberau.
Jetzt lohnt sich der Blick zurück auf die Zugspitze links und den Kramer rechts. Die Bundesstraße und die Bahnstrecke verlaufen auf der westlichen Talseite. Vor der Brücke in den Ort fahren wir scharf rechts in Richtung Golfplatz.
Der Golfclub Garmisch wurde 1929 gegründet, man spielt seit 1974 hier auf dem Gelände des Gutes Buchwies, einem schönen 18-Loch-Platz mit herrlichen Bergblick.
Weiter geht es erst entlang des Lauterbachs und dann entlang des Mühlbachs zu den “Sieben Quellen”. In Eschenlohe stoßen wir wieder auf die Loisach, die hier beim Hochwasser 2005 große Schäden angerichtet hat.
Im Jahr 2006 wurde eine neue Brücke fertiggestellt, die ohne Mittelpfeiler auskommt. Westlich der Brücke steht auf dem Dorfplatz ein Kriegerdenkmal, daneben die spätbarocke Pfarrkirche St. Clemens.
Das Gotteshaus wurde von 1764 bis 1782 nach Plänen von Johann Michael Fischer und Franz Anton Kirchgrabner erbaut. Der Rokoko-Hochaltar wird dem Bildhauer Johann Baptist Straub zugeschrieben.
Auf dem Ausläufer des Auerbergs westlich der Loisach steht eine Kalvarienberggruppe mit hübschen Terrakotta-Figuren. Weiter westlich unterquert die Olympiastraße (Bundesstraße 2) in zwei Tunnel den Berg.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden die beiden Straßentunnel zur geheimen Produktionsstätte der Flugzeugwerke Messerschmitt AG.
Wir bleiben östlich der Loisach auf der schmalen Heubergstraße und erreichen nach weiteren 20 Minuten Fahrt über Wiesen und Felder unseren Ausgangspunkt am Bahnhof in Ohlstadt. Zurückgelegte Strecke: 43 Kilometer (mit Olympiastadion, Garmisch und Richard-Strauss-Villa 7 Kilometer mehr). Landkarte zu dieser Tour.