Nymphenburg – die Sommerresidenz der Wittelsbacher
Nymphenburg ist eine der größten barocken Schlossanlagen der Welt. Der Schlossgarten behielt nur in seiner zentralen Achse die barocke Prägung, während die anderen Teile Anfang des 19. Jahrhunderts in einen Park im englischen Stil umgeformt wurden. Dabei wurden die drei bezaubernden Parkschlößchen aus dem Spätbarock geschickt in die neu gestaltete Landschaft mit Wiesen, Wäldern, Bachläufen und Seen integriert.
Version 2024. Diesen Beitrag gibt es hier auch zum Hören (MP3):
Anfang und Ausbau von Schloss Nymphenburg
Der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria freute sich nach 10 Jahren Ehe sehr über die Geburt seines Thronfolgers Max Emanuel im Jahr 1662. Er schenkte seiner Gemahlin Henriette Adelheid von Savoyen anlässlich der Geburt die Hofmark Menzing mit dem Schloss Blutenburg und das Gebiet der Schwaige Kemnat, beides westlich der Residenzstadt München gelegen. Bei der Schwaige ließ sie ein Sommerschloss bauen und einen kleinen Garten anlegen und nannte das Anwesen “Nymphenburg”.
Während der 46-jährigen Regierungszeit ihres Sohnes Kurfürst Max Emanuel erhielt Schloss Nymphenburg seine heutigen Dimensionen. Seine Spannweite übertrifft mit 632 Metern die des Schlosses von Versailles. Max Emanuel betrachtete Nymphenburg als Alternative zum Regierungssitz in der Münchner Residenz. Hofbaumeister Joseph Effner entwarf zusammen mit dem Pariser Gartenarchitekten Dominique Gerard den Gesamtplan der Anlage.
Kanäle, Kaskaden und Fontänen – das Bewässerungssystem rund um das Schloss.
Ab 1701 ließ Max Emanuel den Pasing-Nymphenburg-Kanal anlegen, der Wasser aus der Würm von Westen in den Park führt. Er speist das gesamte Wassersystem im Park einschließlich des Großen und Kleinen Sees. Das Wasser stürzt nach dem Eintritt in den Park über die Große Kaskade.
Der von zwei Alleen gesäumte zentrale Schloßgartenkanal bildet dann eine Blickachse auf das Hauptgebäude des Schlosses. Das Wasser teilt sich vor der Flora-Fontäne in zwei Arme,
die um den Barockgarten und unter den Seitenflügeln des Schlosses hindurch fließen und danach im Teich mit der Großen Fontaine vor dem Schloss wieder zusammenkommen.
Ein Teil des Wassers im nördlichen Arm fließt im Nymphenburg-Biedersteiner Kanal in nordöstlicher Richtung ab. Dieser Kanal fließt durch das Olympiagelände, bildet den Olympiasee und mündet nach 8 Kilometern im Englischen Garten in den Schwabinger Bach.
Der Schlosskanal nimmt den anderen Teil des Wassers auf. Er wird begleitet von der Nördlichen und Südlichen Auffahrtsallee. Die langen Schlossauffahrten dienten der Zurschaustellung absolutistischer Macht und sollten die Gäste beeindrucken.
Zwei Kilometern östlich des Schlosses endet der Schlosskanal am Hubertusbrunnen, der erst im Jahr 1954 hier seinen Platz fand. Kurz vorher, an der Gerner Brücke, mündet die Nymphenburger Straße, die die Verbindung von der Münchner Residenz nach Schloss Nymphenburg bildet, in die Südliche Auffahrtsallee. Diese Strecke nahm im Jahr 1965 auch der offene Mercedes-Benz 500 mit der englischen Königin Elisabeth II. bei ihrem Staatsbesuch.
Drei Parkschlösschen und eine Klause.
Nördlich und südlich des Schloßgartenkanals mit seinen zwei Alleen ließ Kurfürst Max Emanuel zwei pavillionartige Parkschlößchen durch Josef Effner bauen. Von 1716 bis 1719 entstand die Pagodenburg im nördlichen Teil des Parks. Sie ist ein wichtiges Bauwerk der “Chinamode” des 18. Jahrhunderts.
In dem mit weiß-blauen Delfter Kacheln verkleideten Erdgeschoß befinden sich zahlreiche Wandgemälde mit asiatischen Gottheiten. Im Obergeschoss gibt es den Chinesischen Salon und das Chinesische Kabinett mit entsprechenden Tapeten, Wandverkleidungen, Lackmalereien und Leuchtern mit Drachenköpfen. Für die kurfürstliche Gesellschaft war die Pagodenburg ein Platz der Entspannung und des Vergnügens. Ihr war im 18. Jahrhundert eine geometrische Gartenanlage mit Wasserbecken vorgelagert. Auf der Rückseite des Schlößchens gab es eine Bahn für das Maillespiel, ein Spiel mit Holzkugeln und Schläger.
Im südlichen Teil des Parks entstand von 1718 bis 1722 die Badenburg. Sie besteht aus einem Trakt mit einem zweigeschössigen Festsaal. Angebaut ist der Badesaal mit einem gekachelten Badebecken und Verzierungen aus Stuckmarmor, einem Raum mit Heizanlage, eine Küche und weitere Räume für den Badebetrieb.
Im zweiten Stock dieses Traktes befand sich das kurfürstliche Appartement, dessen Innenausstattung im zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Badenburg knüpft an die Badekultur des Römischen und des Osmanischen Reiches an.
Als drittes Parkgebäude errichtete Joseph Effner von 1725 bis 1728 die Magdalenenklause. In dem als künstliche Ruine errichteten Gebäude befindet sich eine Grottenkapelle und klösterlich strenge Räume, in die sich der Kurfürst zurückziehen wollte. Der Bauherr, Kurfürst Max Emanuel, hat die Vollendung jedoch nicht mehr erlebt. Fertiggestellt wurde die Magdalenenklause unter seinem Sohn, Kurfürst Karl Albrecht.
Für seine Gemahlin Maria Amalia ließ Kurfürst Karl Albrecht ab 1731 das Lust- und Jagdschlösschen Amalienburg errichten. Es liegt im Park zwischen der Badenburg und Schloss Nymphenburg. Die Amalienburg ist eine der schönsten Schöpfungen des europäischen Rokoko. Den Entwurf lieferte François Cuvilliés und
für die Stuckarbeiten war kein Geringerer als Johann Baptist Zimmermann verantwortlich. Der Spiegelsaal bildet das Zentrum des Schlößchens. Silber, gebrochenes Weiß und zartes Blau sind die vorherrschenden Farbtöne.
Durch die vielen Fenster, Spiegel und Türen wird das Grün von draußen reflektiert und die Raumgrenzen dadurch aufgehoben. Man fühlt sich in einen offenen Pavillon versetzt, in eine Laube mit einem Himmelsgewölbe durch die Form und Bemalung der Kuppel. Im Schlößchen hängen Porträts von Kurfürst Karl Albrecht und Kurfürstin Maria Amalia, beide im Jagdkostüm. Es gibt in der Amalienburg ein Jagdzimmer, das Fasanenzimmer, eine Hunde- und eine Gewehrkammer.
Das Jagdzimmer ist als Gemäldesalon ausgestattet, wobei die Gemälde nach Art des Rokoko höfische Jagden und Feste in und um die Jagdhäuser im ehemaligen, weit ausgedehnten Hirschjagdpark darstellen. Sie wurden vom Hofmaler Peter Jakob Horemans angefertigt.
Das Schlossrondell mit der Porzellan Manufaktur Nymphenburg.
Kurfürst Karl Albrecht setzte auch in und am Schloss Nymphenburg die vom seinem Vater begonnenen Baumaßnahmen fort. Der Festsaal bekam seine prächtige Dekoration und er ergänzte die Anlage durch das Schlossrondell, einem Halbkreis kleinerer Gebäude.
Diese zehn Kavalierhäuser wurden noch von Joseph Effner geplant und ab 1728 erbaut. Im Haus Südliches Schloßrondell Nr. 5 befindet sich heute das “Provinzialat der Barmherzige Brüder”, auf Nr. 23 die “Carl Friedrich von Siemens Stiftung” und am Nördlichen Schloßrondell 8 seit 1761 die “Porzellan Manufaktur Nymphenburg”.
Sie wurde von Karl Albrechts Sohn, Kurfürst Max III. Joseph, im Jahr 1747 gegründet. Er versuchte mit der Porzellanmanufaktur die maroden Staatsfinanzen zu sanieren. Sicher bekam er durch die Heirat mit Maria Anna von Sachsen die Idee, der erfolgreichen Meißner Manufaktur nachzueifern. 1765 arbeiteten schon 187 Personen in der Münchener Manufaktur, die Produktion erreichte damals ihren höchsten Stand.
Der Schlosspark wird fürs Volk geöffnet.
Kurfürst Karl Theodor stirbt im Jahr 1799 ebenfalls ohne legitime Nachkommen. Sein Nachfolger wird Kurfürst Max IV. Joseph aus der Wittelsbacher Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld. Er wird als Max I. Joseph 1806 zum ersten König von Bayern ernannt.
Vom Barockpark zum Landschaftsgarten.
Im Jahre 1800 erteilte der Herrscher dem führenden Gartenarchitekten seiner Zeit, Friedrich Ludwig von Sckell, den Auftrag zur landschaftlichen Umgestaltung des Schlossparks. Im Jahr 1804 schuf Kurfürst Max I. Joseph in München für ihn die Hofgärten-Intendanz und holte Friedrich Ludwig von Sckell als deren Leiter endgültig nach München. Friedrich Ludwig von Sckell erhielt dem Nymphenburger Schlosspark den Barockgarten, den zentralen Schlossgartenkanal mit seinen beiden Alleen und die Große Kaskade.
Er ersetzte zwischen 1804 und 1823 die umliegenden Beete und Heckenanlagen durch ein leicht hügeliges Wald- und Wiesengelände mit Bachläufen und zwei Seen. In diese künstliche Landschaft bezog er die vorhandenen barocken Parkschlößchen geschickt ein.
Der Badenburg vorgelagert wurde der größere der beiden Seen. Auf einer Landzunge dieses Badenburger Sees ließ er einen Apollotempel in Form eines Monopteros neu errichten.
Vor der Pagodenburg wurde der kleinere See platziert. Durch die harmonische Zusammenführung des französischen und des englischen Gartenstil entstand ein abwechslungsreicher Landschaftspark. Bis heute weitgehend unverändert, können die Münchner und ihre Gäste auch heute noch durch diesen einzigartigen Schlosspark flanieren.
Der Liebling der Münchener ist dabei Kasimir, der Waldkauz. Er gehört zu einer der Kolonien dieser Eulenvögel im Park. Waldkauz Kasimir bewohnt eine alte Linde an einer Brücke über den Stichkanal zwischen der Badenburg und der Amalienburg. Plan von Schloss und Park Nymphenburg von Wikimedia.
Die historischen Gewächshäuser von Nymphenburg.
Die historischen Gewächshäuser wurden ebenfalls unter König Max I. Joseph von Friedrich Ludwig von Sckell gebaut. Sie stehen aufgereiht nördlich des Barockgartens. Der König war ein begeisterter Hobby-Botaniker. Westlich steht das Palmenhaus, das Sckell im Jahre 1820 ausführen ließ. Es erhielt bereits 1830 eine Warmwasserheizung. Heute befindet sich am und im Palmenhaus ein Café. Das mittlere Gewächshaus ist das Geranienhaus, das Sckell 1816 baute. Das östliche Gewächshaus wurde 1807 erbaut und nach einem Brand im Jahr 1867 als Konstruktion aus Eisen und Glas neu errichtet und heißt seitdem Eisernes Haus. Ein kleines, noch älteres Gewächshaus liegt nördlich der drei großen Gewächshäuser. Es wurde schon 1755 gebaut und diente der Hofküche zum Anbau exotischer Früchte, wie der Ananas.
König Max I. Joseph starb 1825 in Nymphenburg. Schloss Nymphenburg blieb auch in der folgenden Zeit eine Lieblingsresidenz der bayerischen Könige. Sein Sohn Ludwig I. baute die westliche Ausfahrt aus der Stadt München zur Sommerresidenz in Nymphenburg zur Prachtstraße aus. Er schuf die heutige Briennerstraße, die den Königsplatz mit seinen klassizistischen Bauten quert. Sein Enkel König Ludwig II. von Bayern, erblickte hier am 25. August 1845 das Licht der Welt. Noch heute besitzen die Wittelsbacher in einigen Gebäuden Wohnrecht.
Die Pumpwerke – zwei interessante technische Denkmäler.
Das Grüne Brunnhaus wurde von Joseph Effner 1720 am Stichkanal zwischen der Badenburg und der Amalienburg erbaut. Sein Pumpwerk diente der Bewässerung der Badenburg und der Fontänen in ihrer Umgebung, sowie der im Jahr 1722 fertiggestellten Flora-Fontäne im Barockgarten.
Unter Max III. Joseph wurde das Brunnhaus im Jahr 1762 erneuert und weitere Gebäude, das sog. Dörfchen errichtet. Hier wohnten für die Technik zuständige Hofbedienstete, wie Schmiede und Brunnwärter. 1767 installierte Francois Poitevin im Grünen Brunnhaus eine barocke Pumpanlage mit einem Antrieb durch zwei Wasserräder.
Im Jahre 1803 ersetzte Joseph von Baader diese Anlage durch eine leistungsfähigere und ruhiger arbeitende neue Anlage. Diese beiden Pumpwerke arbeiten heute noch. Ihr Prinzip wird in Joseph von Baaders 1797 erschienenen Werk “Vollständige Theorie der Saug- und Hebepumpen” beschrieben. An ihnen befindet sich zudem die weltweit älteste noch benutzte Armatur, ein mit “Franz Höss, Hofbrunnen-Meister in München, 1851” signiertes Manometer. An der Wand des Raumes sind einige Werkzeuge aus der Entstehungszeit der Anlage aufgehängt.
Die Pumpen werden von den beiden Wasserrädern angetrieben. Napoleon war von der Wirkung so beeindruckt, dass er Joseph von Baader 1805 nach Paris berief, um an der technischen Verbesserung der Wasserversorgung von Schloss Versailles mitzuarbeiten.
In den Jahren 1807/08 konnte von Baader auch im Johannisturm im Nordflügel des Schlosses ein neues Pumpwerk für die Große Fontäne vor dem Schloss anlegen. Es ersetzt eine ältere Pumpe, die 1716 von Franz Ferdinand Albert Graf von der Wahl gebaut worden war.
Die Museen im Schloss Nymphenburg.
Im Hauptgebäude führt ein Rundgang durch 21 Zimmern, darunter den große Festsaal und die beiden Zimmer mit den Schönheitsgalerien von Kurfürst Max Emanuel und von König Ludwig I.
Das Marstallmuseum im Südflügel zeigt über vierzig Kutschen und Schlitten aus drei Jahrhunderten. Die schönsten Objekte sind der Krönungswagen Kaiser Karls VII. im französischen Rokoko-Stil und die Kutschen und Schlitten von König Ludwig II. Das Museum für Nymphenburger Porzellan befindet sich direkt über dem Marstallmuseum im 2. Stock.
Sehr beliebt, besonders auch bei Kindern und Jugendlichen, ist das Museum “Mensch und Natur” im Nordflügel des Schlosses.
Als wichtigste Sommerresidenz Bayerns war Schloss Nymphenburg Schauplatz zahlreicher Festlichkeiten. Im Jahr 1763 nahmen hier die Mozarts an einer großen Gala teil und Wolfgang Amadeus spielte vor dem Kurfürsten Max II. Joseph.
Während der Olympischen Sommerspiele 1972 fanden im Schlossgarten die Wettbewerbe im Dressurreiten statt.
Dieser Beitrag wurde im Juli 2024 überarbeitet. Tarifstand: Sommer 2024. Diesen Beitrag auf YouTube ansehen: https://youtu.be/SDCGTZVTw4Y
Alle Beiträge – Inhaltsverzeichnis
Weitere Beiträge aus München:
Weitere Berichte und Touren aus Oberbayern:
to80countries