Der Englische Garten in München
Der Englische Garten hat viele Facetten: Eine Radtour zum Aumeister, eine Bootsfahrt auf den Kleinhesseloher See, Surfen auf dem Eisbach, ein Sonnenbad auf der Schönfeldwiese, ein Ausritt oder eine Kutschfahrt, eine Maß am Chinesischen Turm, ein Kaffee am Milchhäusl oder eine Japanische Teezeremonie im Teehaus.
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Der Englische Garten – die Macher.
In einer Zeit der Aufklärung und des Liberalismus kam im Jahr 1777 ein neuer Herrscher an den Münchner Hof, Kurfürst Karl Theodor. Er residierte zuvor im vergleichsweise fortschrittlichen Mannheim. In seiner Sommerresidenz Schwetzingen wirkte sein Hofgärtner Friedrich Ludwig von Sckell, den er schon 1773 für drei Jahre nach England zum Studium der dortigen neuen Gartenkunst gesandt hatte.
Karl Theodor stellte Sir Benjamin Thompson, den späteren Graf von Rumford, als Adjutant und Kammerherrn ein und betraute ihn ab 1788 mit der Reorganisation der Bayerischen Armee. Die Armut und das Elend der einfachen Soldaten wollte Rumford beseitigen. Eine seiner Maßnahmen war die Anlage von Militärgärten in den bayerischen Garnisonsstädten. Die Soldaten sollten im Gartenbau geschult und damit in Friedenszeiten sinnvoll beschäftigt werden. Außerdem wurde dadurch eine bessere Ernährung für die Soldaten und ihre Familien gewährleistet.
Als Standort für die Münchner Gärten wurde die Schönfeldwiese nördlich der Stadt ausgewählt. Das Gelände wurde nach Fertigstellung auch der Öffentlichkeit zur Erholung zugänglich gemacht. Rumford wurde mehr und mehr zum Sozialreformer für das ganze bayerische Volk und damit ein Vorreiter seiner Zeit. Er erhielt schließlich auch die Oberaufsicht über die Anlage des Englischen Gartens und schaffte es politisch bis zum Vorsitzenden des Staatsrats.
Als von Rumford 1798 als diplomatischer Vertreter Bayerns nach London ging, verpflichtete der Kurfürst auch dessen Nachfolger als Direktor des Englischen Gartens, Reinhard Freiherr von Werneck. Diese vier Männer waren maßgebend für die Gründung und Gestaltung des Englischen Gartens.
Der Englische Garten – seine Entstehung.
Im Sommer 1789 erließ Kurfürst Karl Theodor das Dekret einen öffentlichen Park östlich und nördlich der neu entstandenen Militärgärten anzulegen. Friedrich Ludwig von Sckell fertigte ein Gutachten an, lieferte Pläne und Ideen zu einem Landschaftspark im englischen Stil und von Rumford erhielt die Oberaufsicht über das Projekt. Die Auenlandschaft der Isar mit zahlreichen Nebenarmen, Altwassern und Sumpfgebieten war einst ein beliebtes Jagdrevier der bayerischen Kurfürsten direkt vor der Haustür ihrer Residenz. Durch einen Isardamm wurden die Sumpfgebiete trocken gelegt. Schon 1790 konnte der Kurfürst eine Besichtigungsfahrt mit seiner Kutsche durch das Gelände unternehmen. Zahlreiche Brücken, ein Apollotempel, das Rumfordhaus und der Chinesische Turm waren da schon fertig gestellt oder gerade in Bau. Es sollte der erste große Volkspark auf dem Europäischen Kontinent werden. Der Hofgarten war von Karl Theodor schon im Jahr 1780 und der Schlosspark seiner Sommerresidenz Nymphenburg im Jahr 1792 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Ab dem Frühjahr 1792 stand der neue “Theodor-Park” den Bürgern zur Verfügung. Am ehemaligen Hirschanger entstanden Wiesenflächen, vom Schwabinger Bach, dem Eisbach und von kunstvoll geführten Wegen durchzogen.
Das Rumfordhaus aus dem Jahr 1791 geht wie der Chinesische Turm auf seinen Namensgeber zurück, dem dieser Haustyp aus seiner amerikanischen Heimat an der Ostküste bekannt war. Der Bau im Federal Stil orientiert sich bereits an der griechischen und römischen Architektur. Den klassizistischen Bau ziert an der Frontseite ein ionischen Säulenportikus. Er beherbergte ein Militärkasino in einem verspiegelten Tanzsaal für 150 Gäste.
Schon zu Lebzeiten wurde 1796 für den Grafen Rumford ein Denkmal im Englischen Garten aufgestellt. Es wurde von Franz Schwanthaler d. Ä. aus Kalktuff, Sandstein und Marmor gefertigt und befindet sich im Südteil des Parks nahe der Oettingenstraße. Karte Südteil Englischer Garten.
Der Englische Garten – die Erweiterungen nach 1800.
Unter Freiherr von Werneck wurden im Januar 1800 die Bereiche der kurz zuvor aufgelösten Militärgärten auf der Schönfeldwiese dem neuen Park zugeschlagen. Nach Nordosten wurde der Park zusätzlich um die und Werneckwiese, den Kleinhesseloher See und 300 Morgen Ödland im dahinter liegenden Gebiet der Hirschau erweitert.
Im Jahr 1804 schuf Kurfürst Max I. Joseph die Hofgärten-Intendanz und holte Friedrich Ludwig von Sckell als deren Leiter endgültig nach München. Dieser widmete seine Schaffenskraft nun hauptsächlich den beiden großen Parks in München, dem Nymphenburger Schlosspark und dem Englischen Garten. Hier setzte er ein harmonischeres Landschaftsbild durch, pflanzte neue Baum- und Buschgruppen und gestaltete kunstvolle Wasseranlagen. Dazu gehört der von Felsgruppen gesäumte Wasserfall, der vom Eisbach und vom Schwabinger Bach gespeist wird. Unterhalb trennen sich die Bachläufe wieder. Der Eisbach gibt im weiteren Verlauf Wasser an den Oberjägermeisterbach ab, der erst zwischen der Hochzeits- und der Bauerwiese hindurch und danach in voller Länge mitten durch die Hirschau nordwärts fließt.
Der Kleinhesseloher See wurde vergrößert und seine drei Inseln, Regenteninsel, Königsinsel und Kurfürsteninsel entstanden. Es setzte sich jetzt schnell der Begriff “Englischer Garten” für den Landschaftspark durch.
Einige Bauwerke im Englischen Garten waren Friedrich Ludwig von Sckell ein Dorn im Auge. Was nicht in sein Parkkonzept passte wurde abgerissen, beinahe auch der Chinesische Turm.
Der vierstöckige Holzturm war auf Initiative des Grafen von Rumford 1789 vom Mannheimer Militärarchitekt Joseph Frey entworfen worden. Im 2. Weltkrieg wurde er zerstört und 1952 originalgetreu wieder aufgebaut. Das gegenüber liegende Wirtshaus mit einer Kegelbahn und Tanzboden war schon am 1. April 1792 eröffnet worden. Es war als rechteckiger Holzbau mit einem geschweiftem Dach und vier Eckpavillons ebenfalls im chinesischen Stil ausgeführt worden. Im Jahr 1912 wurde er durch einen nüchternen Steinbau ersetzt.
Der große Biergarten mit 7.000 Sitzplätzen, in dem Bier aus dem Staatlichen Hofbräuhaus ausgeschenkt wird, ist bei den Münchnern sehr beliebt. In der Sommersaison spielen von Zeit zu Zeit die bayerischen Blaskapellen “Thoma” und “Die Rossbachtaler” im 1. Stock des Chinesischen Turms auf.
An jedem dritten Juli-Sonntag wird seit 1989, dem 200-jährigen Jubiläum des Englischen Gartens, der Kocherlball wieder gefeiert. Ursprünglich verabredeten sich im Sommer in der alten Zeit ab ca. 1880 jeden Sonntag vor Arbeitsbeginn Mägde, Köche und Diener am Chinesischen Turm zum Tanz. Bis zu 5.000 Menschen versammelten sich bis zum Jahr 1904, als die Polizei das Treffen wegen Unsittlichkeit verbot. In der Weihnachtszeit findet am Chinesischen Turm jährlich ein Christkindlmarkt statt.
Von 1810 bis 1811 entstand das Aujägermeisterhaus. Wie die Häuser am Nymphenburger Schlossrondell wurde dieses klassizistische Haus ebenfalls mit einem Walmdach versehen, die Fassaden weiß und gelb und die Fensterläden grün gestrichen. Der Wald- und Aumeister hatte in den Isarauen das Wild zu hegen und die Teilnehmer von Hofjagden zu bewirten.
Schon bald wurde der “Aumeister” ein Ausflugslokal mit angeschlossenem Biergarten, einem der schönsten in München. Karte Nordteil Englischer Garten.
1823 wurde am Chinesischen Turm ein Karussell errichtet, das 1912 erneuert wurde. Neben hölzernen Pferden und Wagen drehen sich zur Freude der kleineren Kinder hier auch Hirsche, Kamele, Strauße, Störche, Flamingos und Giraffen bei Musik aus dem historischen Polyphon-Musikautomaten.
Das Denkmal für Friedrich Ludwig von Sckell steht auf einer Landzunge am Südostufer des Kleinhesseloher Sees. Es wurde noch im Todesjahr des berühmten Landschaftsarchitekten im Jahr 1823 von Leo von Klenze entworfen und 1824 fertig gestellt.
Der Englische Garten – Bauten unter König Ludwig I.
Der Monopteros wurde von 1832 bis 1837 von Leo von Klenze entworfen und auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel erbaut. Auf einem dreistufigen kreisrunden Unterbau erheben sich zehn ionische Säulen.
Das Dach besteht aus einer mit Kupferplatten bedeckten flachen Kuppel gekrönt von einem Pinienzapfen. In den 1970-er Jahren war der Monopteros der Treffpunkt der Hippies. Der Aufstieg lohnt sich allein schon wegen der schönen Aussicht über die Schönfeldwiese auf die Gebäude der Universität, die Ludwigs- und die Theatinerkirche.
Der baufällige Apollotempel aus der Gründungszeit des Englischen Gartens wurde abgerissen und 1838 durch eine Bank aus Kelheimer Kalkstein nach Art einer griechischen Exedra ersetzt. Auch diese Bank entwarf Leo von Klenze im Auftrag König Ludwig I. Die Inschrift lautet:
Diese Bank ist mein Lieblingsplatz im Englischen Garten, habe ich doch dort schon vor 50 Jahren unzählige Stunden in der Nachmittagssonne sitzend mit dem Lernen für Schule und Führerschein verbracht.
Ein Denkmal für Reinhard Freiherr von Werneck entstand 1838 ebenfalls nach einem Entwurf von Leo von Klenze am Kleinhesseloher See.
Der Englische Garten – Spätere Veränderungen:
Aus dem einfachen Bierausschank am Kleinhesseloher See wurde im Jahr 1883 das erste Seehaus. Gabriel von Seidl entwarf ein zweistöckiges Bootshaus mit einer Gaststätte im 1. Stock. 1935 wurde es durch einen Neubau mit großer Terrasse am See ersetzt. Das 3. Seehaus entstand dann 1985 unter dem Architekten und Karikaturisten Ernst Hürlimann. Der Biergarten verfügt im Sommer über 2.500 Plätze und es gibt dann einen Ruder- und Tretbootverleih. In kalten Wintern ist der See überwiegend zugefroren und wird von Spaziergängern, Schlittschuhläufern und Eishockeyspielern bevölkert.
Ehemalige Geräteschuppen aus dem Jahr 1896 nahe der Königinstraße wurden nach dem 2. Weltkrieg als Ausgabestelle für Milch, Brot und andere Grundnahrungsmittel für die notleidende Bevölkerung Schwabings und der Maxvorstadt umfunktioniert.
Heute ist das “Milchhäusl” mit seinem kleinen Biergarten vor Allem bei den Studenten der nahen Ludwig-Maximilians-Universität beliebt und bietet kleine Speisen und Brotzeit in Bio-Qualität.
Das Kutschereiunternehmen Holzmann wurde 1945 gegründet und hat seinen Standplatz am Chinesischen Turm. Nach 18 Uhr konnte ich auf meinem Heimweg von der Arbeit regelmäßig die Kutschen sehen, wenn sie am Feierabend durch ganz Schwabing in ihre Stallungen in der Schweren-Reiter-Straße 22 zurückzockeln.
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Anlässlich der neuen Städtepartnerschaft mit Sapporo, dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele im selben Jahr, stiftete die Teeschule Urasenke in Kyoto das Japanische Teehaus. Seit 1972 findet hier regelmäßig die traditionelle japanische Teezeremonie statt, organisiert von einem deutsch-japanischen Verein. Am dritten Julisonntag wird zudem ein Japanfest am Teehaus gefeiert.
Der Englische Garten am Eisbach – Surfers Paradise.
Der stärkste Wasserzufluss in den Englischen Garten erfolgt im Süden durch den Eisbach mit 32 m³ Wasser pro Sekunde. Die Fließgeschwindigkeit beträgt zwei Meter pro Sekunde. Diese starke Strömung und die stehende Welle machen sich seit 1975 Surfer zu nutze.
Nachdem immer mehr Surfer aus der ganzen Welt anreisten, tauschte der Freistaat Bayern das Gelände gegen ein anderes Grundstück mit der Stadt München, die das Wellenreiten an dieser Stelle legalisieren wollte.
Der Schwabinger Bach fließt gemächlicher durch den Englischen Garten. Entlang seines Ufers tauchten in den 70-er Jahren immer mehr Nacktbader auf, so dass die Parkverwaltung 1982 den Uferbereich an der Schönfeldwiese als FKK-Gelände auswies.
Flächenverluste im Englischen Garten ab dem späten 19. Jahrhundert.
1890 wurden für den Bau der Prinzregentenstraße am Südrand des Parks Flächen geopfert, ebenso wie an gleicher Stelle für das Haus der Kunst im Jahr 1937. Im selben Jahr wurde die Königinstraße im Westen verbreitert und die dort ansässige Tierärztliche Fakultät erweitert. Zuvor war schon eine Omnibusstraße quer durch den Englischen Garten angelegt worden. 1950 wurde eine Fläche für den US-Sender Radio Free Europe östlich des Chinesischen Turms abgetreten. Seit 1963 durchschneitet der Isarring, ein Teil des Mittleren Rings, den Englischen Garten nördlich des Kleinhesseloher Sees.
Der Englische Garten – Neue Flächen Mitte des 20. Jahrhunderts.
Große Gebiete wurden dem Englischen Garten 1940 mit dem Hirschauer Forst (67 ha) und 1943 (32 ha) an der Isar nach der Verlegung der Lokomotivfabrik Maffei nach Allach zugeschlagen.
Die Zukunft – die Wiedervereinigung der beiden Parkhälften
Vor mehr als zehn Jahren entstand eine Bürgerbewegung um den Englischen Garten wieder zu vereinigen und den Isarring in einen Tunnel zu verlegen. Die Finanzierung durch den Bund, den Freistaat und die Landeshauptstadt München ist inzwischen genehmigt.
Für die Münchner und ihre Gäste stehen im Englischen Garten 66 Kilometer Wege zur Verfügung, auf den breiteren Hauptwegen ist das Radfahren erlaubt. Mehr als 100 Brücken überqueren die Bäche mit einer Gesamtlänge von 8.500 Metern.
Überarbeitet im Juni 2024, Tarifstand: Sommer 2024. Diesen Beitrag auf YouTube ansehen: https://youtu.be/3i4vZOdnsZA
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